Capitularia - Edition of the Frankish Capitularies

Das Kollationstool von Capitularia

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Editorische Arbeit ist ein langwieriger und – je nachdem, welche Tücken die Überlieferung bereithält – komplexer und anstrengender Weg, der beschritten werden muss, um das Produkt seiner Bemühungen, die fertige Edition, in Händen zu halten oder am Bildschirm zu sehen. Egal für welches editorische Grundprinzip man sich entscheidet – Leithandschrift oder die Rekonstruktion eines Archetyps – der Vergleich der Textzeugen, die Kollation, ist ein unerlässlicher Arbeitsschritt. Es verwundert nicht, dass diese Arbeit schon früh mit dem Computer in Verbindung gebracht wurde. Ist es doch ein naheliegender Schritt, übereinstimmende oder sich unterscheidende Zeichen bzw. Zeichenketten von Computerprogrammen erkennen und anzeigen zu lassen (Robinson 1994).

Eine Kollationssoftware, die einen größeren Rezipientenkreis gefunden hat, ist das von Peter Robinson entwickelte Collate, das seit 2010 unter dem Namen CollateX weiterentwickelt wurde. Dass es in der Editionsphilologie großen Bedarf an derlei Software gibt, zeigen z.B. die Kollationssoftware juxta oder Projekte wie eComparatio von der Universität Leipzig, das ebenfalls eine Kollationssoftware entwickelt hat. Über das reine Vergleichen von Text hinaus gibt es zudem Überlegungen, Software dazu einzusetzen, editorische Entscheidungen bei der Erstellung des Apparates zu formalisieren, was z.B. auch eine höhere Transparenz der editorischen Arbeit zur Folge hätte (Barabucci/Fischer 2017). Die Entwicklung in diesem Bereich ist also noch längst nicht abgeschlossen.

Für die Neuedition der fränkischen Kapitularien wurde ebenfalls ein Kollationstool entwickelt, das von Gioele Barabucci und Marcello Perathoner vom Cologne Center for eHumanities (CCeH) auf Grundlage von CollateX erarbeitet wurde. Dieses Tool stand zuerst nur den am Projekt beteiligten Editoren zur Verfügung und war daher nur im Backend der Webseite verfügbar (Schulz D 2017, S. 342-343; Geißler/Schulz 2019; Kaschke 2019, S. 113-115). Dort wurde es als Unterstützung bei der Erstellung der kritischen Printedition herangezogen. Seit Ende Juni 2019 ist das Tool auch öffentlich zugänglich und kann von jedem Nutzer für individuelle Fragestellungen genutzt werden. Beim Jubiläumscolloquium der Monumenta Germaniae Historica (MGH) „Quellenforschung im 21. Jahrhundert“ am 28./29. Juni 2019 in München wurde das Tool erstmals öffentlich präsentiert und positiv aufgenommen (Deutinger/Paulus 2019).

Kollationstool im Back-End (erste Version für den internen Gebrauch)

Momentan können alle Kapitularien von Ludwig dem Frommen und Lothar I. (814-840) mit dem Tool kollationiert werden. Die Transkriptionstexte, die in TEI-XML ausgezeichnet sind, werden durch ein Skript bearbeitet und für den Einsatz im Tool vorbereitet, wobei die Texte zudem in einigen wenigen Merkmalen normalisiert werden, um das Kollationsergebnis nicht durch zu viele Varianten unübersichtlich zu machen. Verglichen werden können Handschriften untereinander oder gegen die alte Edition von Boretius und Krause (Boretius 1883/Boretius 1897). Deren Editionstext liegt als XML-Datei vor und ermöglicht somit den Einsatz im Tool. Das große Plus des Tools gegenüber herkömmlichen Kollationstabellen ist seine Dynamik. In Sekundenschnelle kann der Textzeuge, der dem Vergleich zu Grunde liegt, geändert werden, wobei sich das Ergebnis des Textvergleichs sofort an die neuen Parameter anpasst. Auf diese Weise können z.B. sehr schnell und komfortabel verschiedene Hypothesen zu Abhängigkeiten von Handschriften geprüft werden. Ein weiterer Vorteil ist die die leicht zugängliche und sehr übersichtliche optische Gestaltung:

Kollationstool im Front-End (öffentlich zugängliche Version)

Das Kollationstool wird nicht das einzige Werkzeug in unserer neu eingerichteten Kategorie „Tools“ bleiben. In Zukunft sollen weitere folgen. In Planung sind bereits interaktive Karten, die Entstehungsorte und -regionen der Handschriften anzeigen und individuelle Abfragen erlauben werden. Die in den Handschriftenbeschreibungen vorhandenen Meta-Daten werden so auf interaktive Weise zugänglich gemacht.

Wenn Sie das Kollationstool ausprobieren möchten, finden Sie es hier mit einer ausführlichen Beschreibung.

Dominik Trump

 

Literatur
Gioele Barabucci / Franz Fischer, The formalization of textual criticism: bridging the gap between automated collation and edited critical texts, in: Peter Boot et al. (Hg.), Advances in digital scholarly editing. Papers presented at the DiXiT conferences in The Hague, Cologne, and Antwerp, Leiden 2017, S. 47-53.
Boretius 1883
Boretius 1897
Roman Deutinger / Christof Paulus, Tagungsbericht: Quellenforschung im 21. Jahrhundert. Colloquium zum 200-jährigen Bestehen der MGH, 28.06.2019 – 29.06.2019 München, in: H-Soz-Kult, 29.07.2019.
Nils Geißler / Daniela Schulz, Building a collaborative editorial workbench for legal texts with complex structures, in: Journal of the Text Encoding Initiative 2019 (im Erscheinen).
Sören Kaschke, The New Edition of the Frankish Capitularies: Accommodating Digital and Print Edition, in: Christelle Balouzat-Loubet (Hg.), Digitizing Medieval Sources – L’edition en ligne de documents d’archives médiévaux. Challenges and Methodologies – Enjeux, méthodologie et défis (ARTEM 27), Turnhout 2019, S. 107-115 (im Druck).
Peter M. W. Robinson, Collation, Textual Criticism, Publication, and the Computer, in: Text 7 (1994), S. 77-94.
Schulz D 2017

How to cite
Dominik Trump, Das Kollationstool von Capitularia, in: Capitularia. Edition of the Frankish Capitularies, ed. by Karl Ubl and collaborators, Cologne 2014 ff. URL: https://capitularia.uni-koeln.de/en/blog/kollationstool/ (accessed on 12/22/2024)