München, Bayerische Staatsbibliothek, Lat. 19416
Manuscript description according to Mordek
Repository
MünchenBayerische Staatsbibliothek
Lat. 19416
Origin and history
Origin:
9. Jh., Ende (Bischoff: 4. Viertel); Südbayern (Mordek, Bischoff).
Provenance:
Tegernsee. Alte Signatur bei Pertz, MGH LL 1, S. XXV: m. g. 43; vorläufige Signatur Schmellers in München: Teg. 1416
Physical description
Material: | Pergament |
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Number: | Teil I: 91 foll. (I, 1-80, 80a, 80b, 82-89)1* |
Size: | 140-145 × 110-115 mm |
Body text: | ca. 103 × 75-80 mm |
Quires: |
2 IV15 + (IV-1)22 + 3 IV46 + (IV-1)53 + 4 IV84 + (III-1)89
Kustoden: eingerahmte römische Ziffern meist am Anfang der
Lagen
|
Lines: | 15 (letzte Lage: 12) |
Columns: | 1 |
Script: | karolingische Minuskel |
Scribe(s): | mehrere Hände |
Decoration: |
Rubriken (Capitalis rustica, hin und wieder mit unzialen Elementen) in schwarzer Texttinte, zuweilen mit roten Schattenstrichen, oder in Rot; rote Zahlen; schwarz-rote Initialen, auch in Umrißzeichnung, leicht verziert, mit roten Füllungen |
Binding: |
heller Ledereinband (15. Jh.) mit erneuertem Rücken; restauriert 1971 |
Contents
Note:
Teil II (foll. 90-209) ist jünger (10./11. Jh.) und tradiert neben Rätseln und Federproben vor allem Werke des Mythographen Fulgentius (ed. R. Helm, Fabii Planciadis Fulgentii opera [Leipzig 1898] S. 3-80, 83-107), Alkuin, Pippini regalis et nobilissimi iuvenis disputatio cum Albino scholastico (Migne, PL 101, Sp. 975-980; zuletzt ed. W. Wilmanns, in: Zs. für deutsches Alterthum 14 [Neue Folge, Bd. 2, 1869] S. 531-544) und Exzerpte aus dem Psalmenkommentar Brunos von Würzburg (Migne, PL 142, Sp. 49 ff.).
Nach Boretius, Capitularien im Langobardenreich, S. 43 f. „ist die Handschrift wegen ihres klaren und unverfälschten Textes sowie dadurch werthvoll, daß die Capitularien vollständig und in richtiger Trennung voneinander aufgenommen sind“ - vielleicht deshalb, weil sich der Urheber des Werkes fast ausschließlich auf Kapitularien konzentrierte. So schuf er eine der seltenen, von kleineren Einsprengseln abgesehen, „reinen“ Kapitulariensammlungen, die - eine weitere Besonderheit - in einer eigenen Edition gedruckt vorliegt: Vitus Amerpachius, Praecipuae Constitutiones Caroli Magni... (1545) (kritisch beurteilt von G. H. Pertz, MGH LL 1, S. XXVI).
Die Rechtssammlung des Cod. München Lat. 19416 ist grob chronologisch aufgebaut und gliedert sich klar in einen ersten dominierenden Teil mit meist Kapitularien Karls des Großen von Herstal a. 779 bis Mantua a. 813 (foll. 1-75) und einen Schlußteil mit wenigen Kapitularien Ludwigs des Frommen und Lothars I. von 829 bzw. 832 (foll. 76-89). Einige Texte hat der Kompilator nur auszugsweise wiedergegeben und damit gezeigt, daß er seine Vorlage(n) nicht einfach unbesehen kopierte.
In Cod. München Lat. 19416 haben wir es mit einer italienischen Kapitulariensammlung (wohl des zweiten Drittels des 9. Jahrhunderts) zu tun; darauf weist der Inhalt (mehrere italienische Kapitularien) ebenso hin wie die mit italienischen Sammlungen verwandte Textform (vor allem mit Ivrea XXXIII und Ivrea XXXIV, auch Wolfenbüttel Blankenb. 130, sichtbar etwa am einheitlichen Transfer von MGH Capit. 1, Nr. 39, c. 9 nach Nr. 40, c. 12; einige Kapitularien deuten zudem auf die Sammlung des Cod. St. Paul im Lavanttal 4/1); siehe auch bei St. Gallen 733.
Bibliography
References:
- Pertz G 1835, S. XXV f.
- Boretius 1864, S. 42-44
- Boretius 1897, S. XX
- Besta 1923, S. 245 Anm. 1
- de Clercq C 1958, S. 63 Anm. 17 und 19
- Eder 1972, S. 21, 126, 136
- Bischoff 1974, S. 164
- Mordek 1975, S. 185-189
- Bühler A 1986, S. 373 ff. u. ö.
- Mordek 1986a, S. 39 Anm. 76, S. 42 Anm. 101
- Bierbrauer 1990, S. 99 Nr. 196
- de Sousa Costa 1993, S. 55 u. ö.
Catalogues:
- Catalogus codicum latinorum Bibliothecae Regiae Monacensis II, 3 (Catalogus codicum manuscriptorum Bibliothecae Regiae Monacensis IV, 3, München 1878) S. 244 Nr. 1951
Images:
- W. Uhl, Winiliod 2 (Leipzig 1913) Taf. IX (fol. 31v)
- Bierbrauer 1990, Tafelbd., S. 105 Nr. 389 (fol. 76r, Ausschnitt)
Project-specific references:
- Mordek 1995, S. 357-364
- Bischoff 2004, S. 271, Nr. 3321
- Hartmann W 2008, S. 332
- Coumert 2023, S. 231
- Bibliotheca legum regni Francorum manuscripta, Karl Ubl (Hrsg.) unter der Mitarbeit von Dominik Trump und Daniela Schulz, Köln 2012 ff.
Transcription
Editorial Preface to the Transcription
Transkriptionsvorlage: Die Transkription erfolgte auf Grundlage eines guten Farbdigitalisates der BSB München. Die fast vollständig radierten Blätter 85r-87r wurden bei einer Autopsie des Originals in der BSB am 15./16. Februar 2018 mit Benutzung einer Quartzlampe auf noch zu erkennenden Text geprüft.
Schreiber
Foll. 76r-89v: Der Schreiber verwendet eine gut lesbare, aber etwas unruhig wirkende karolingische Minuskel, die zahlreiche Ligaturen und Doppelformen aufweist. Manchmal schreibt er Formen von comitatus, comes oder amittere mit einem doppelten m. Statt t wird häufig ein c verwendet. Ein neuzeitlicher Korrektor hat an verschiedenen Stellen des Textes eingegriffen.
Buchstabenformen
Foll. 76r-89v:
Einzelbuchstaben: Auffällig ist die starke Präsenz von Doppelformen: Majuskel-N und unziales D treten neben die entsprechenden Minuskelformen. Der Schaft des s endet zumeist auf der Grundlinie und nimmt vielfältige Formen an, mal ist er gerade, mal geschwungen, mal mit einer Serife versehen.
Ligaturen: Die Schrift ist ligaturenreich, es finden sich vor allem ae-, ct-, mi-, or-, rt- und st-Ligaturen. Hinzu kommen Ligaturen mit e. Bei der re-Ligatur geht ein Strich, der schräg nach oben gezogen wird, vom Bogen des r ab (z.B. fol. 76r Z. 8 f.: obedire, Z. 11: uenire).
Besonderheiten: Die Rubrik zu Beginn der Kapitelliste, die BK 191-193 vereinigt, ist in Capitalis rustica geschrieben, die unziale Elemente hat und zudem Minuskelbuchstaben aufweist. Bei der Rubrik zu BK 193 ist das gleiche zu beobachten. Hier wechseln sich Capitalis rustica und Minuskel ab.
Gliederungsmerkmale
Foll. 76r-84v: Der Text von BK 191 beginnt mit einer Überschrift in orangener Tinte, genauso wie jener von BK 193, die aber in Minuskelschrift geschrieben und mit orangener Tinte ausgemalt ist. Bis auf c. 1 von BK 191 hat kein anderes capitulum eine Nummerierung.
Jedes Kapitel und - was eine Besonderheit darstellt - auch jedes Ansegiszitat ist durch eine Initiale hervorgehoben, die mit Texttinte vorgezeichnet ist und dann mit orangener Tinte (teilweise) ausgemalt wurde. Die Initialen sind generell zweifarbig gestaltet und, wenn auch nicht besonders professionell, dennoch relativ aufwendig mit ornamentalen und anderen graphischen Schmuckelementen verziert. Innerhalb der Kapitel gibt es mit Farbe ausgemalte Majuskeln, die kleinere Einschnitte anzeigen.
Die Reihenfolge der Kapitel der einzelnen Kapitularien ist vertauscht: Bei BK 191 folgen auf c. 7 die cc. 9, 10 und 8, während bei BK 192 auf c. 12 die cc. 15, 13 und 14 folgen, zudem fallen hier cc. 11 und 12 zusammen. BK 193 bietet nur ein Bruchstück von c. 1, ehe der Text abbricht.
BK 201 (foll. 85r-89v) ist durch Blattverlust am Anfang und Seitenbeschnitt am Ende sowie durch die umfangreiche Rasur auf foll. 85r-87r nur fragmentarisch überliefert. Trotz Rasur ist aber zu erkennen, dass das Stück mit dem Ende von c. 3 einsetzt und dann die cc. 4-5 sowie 7-14 folgen. Das sechste Kapitel fehlt, cc. 12-14 sind unter cap. XI subsummiert. Die Rasur selbst betrifft die cc. 3-9, wobei teilweise ganze Zeilen nicht mehr zu lesen sind. Die Kapitelzählung (mit vorgeschaltetem CAP), die in roter Tinte ausgeführt wurde, ist ebenfalls nur noch in Resten erkennbar. Farbige Initialen finden sich zu Beginn jedes Kapitels. Der Text selbst wird ebenfalls durch Initialen, die nach einem Absatz stehen, strukturiert.
Benutzungsspuren
Foll. 76r-89v: Es sind Benutzungsspuren eines oder mehrerer neuzeitlicher Benutzer zu finden. Es handelt sich hierbei um Unterstreichungen einzelner Wörter (z.B. fol. 76r und 82r) oder Markierungen (z.B. fol. 79r und fol. 83r) sowie Nota-Zeichen (z.B. fol. 77v oder fol. 80v) am Rand. So steht bspw. in der rechten oberen Ecke von fol. 82r pannum geschrieben. Im Text selbst ist das Wort (Ansegiszitat von BK 192 c. 8) bannum ebenfalls unterstrichen worden. Solche Fälle innerhalb einer Seite kommen noch öfter vor. Auf fol. 86v (BK 201 c. 8) findet sich am Rand ein mit Blei gezeichnetes florales Motiv in Form einer Blüte, das als Nota-Zeichen dienen könnte.
Der oder die Benutzer haben durch Verweise verschiedene Textstücke, die besonders interessierten, miteinander in Beziehung gesetzt. So wurde bspw. auf fol. 78r in die rechte obere Ecke placita sup(ra) geschrieben, auf das ein an eine arabische 8 erinnerndes Nota-Zeichen folgt, was auf fol. 60v (placitu[m] inf[ra] mit dem gleichen Zeichen folgend, vgl. hierzu auch Cappelli 2012, S. 427) verweist. Im Text von fol. 78r ist das Wort placitis (BK 191 c. 5) dann auch unterstrichen. Ähnliches ist auf der folgenden Seite zu beobachten, wo das Wort nutrimine unterstrichen ist, und an der Seite inf. und ein Kreuz steht. Ein Kreuz findet sich dann entsprechend auf fol. 79v, neben dem Ansegiszitat von BK 191 c. 9 auf Höhe des Wortes nutrimine.
Sonstiges
Der Text auf foll. 85r-87r wurde vollständig radiert. Der dadurch entstandene Textverlust betrifft BK 201, das fragmentarisch in c. 3 (ab quodsi nec) beginnt und auf fol. 87v in c. 8 ab noluerit predictum bannum wieder lesbar ist. Der Anfang ist durch Blattverlust verloren. Der untere Seitenrand von fol. 89 wurde abgeschnitten, wobei jeweils einige Worte in der letzten Zeile verlorengingen: Am Ende von c. 13 auf fol. 89r fehlen die Worte et vacuus appareat und am Ende des letzten Kapitels auf fol. 89v fehlt nostri Karoli continetur.