Modena, Archivio di Stato, 130
Beschreibung der Handschrift nach Mischke
Aufbewahrungsort
ModenaArchivio di Stato
130
Entstehung und Überlieferung
Entstehung:
etwa 1490; Ferrara
Äußere Beschreibung
Material: | Papier |
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Umfang: | 314 foll. |
Zeilen: | 42-47 |
Spalten: | 1 |
Schrift: | humanistische Minuskel |
Schreiber: | eine Hand |
Ausstattung: |
braune Tinte; teilweise Rubriken in roter Tinte (z.B. fol. 119v, 124v). |
Inhalte
Anmerkung:
In Bd. IV der Annales Ferrarienses von Pellegrino Prisciani (ca. 1490) wurde die Kopie einer verlorenen Handschrift des Liber Papiensis (11. Jh.?) inseriert. Bei der Textfassung des Liber Papiensis handelt es sich um die Redaktion des Juristen Walcausus, die auch in den Codd. Paris Lat. 9656 und Wien 471 überliefert ist; zu den Handschriften der Walcausina siehe Radding 2013 S. 150-153 sowie zu weiteren Hss. des Liber Papiensis Mordek 1995, S. 243 f. (zu Mailand, Biblioteca Ambrosiana, O. 55 sup.). Die Kopie Priscianis wurde von Muratori für seinen Druck der Leges Langobardorum benutzt (Rerum Italicarum Scriptores 1, 2, Milano 1725) sowie von Boretius für seine Edition des Liber Papiensis herangezogen (MGH LL 4, S. 290-606). Mordek hielt sie für verschollen (Mordek 1995, S. 244).Bibliographie
Projektspezifische Referenzen:
- Muratori, Ludovico Antonio: Rerum Italicarum Scriptores 1, 2 (Milano 1723), S. 7 f.
- Pardessus 1843, S. LXVIII-LXX
- Merkel 1850, S. 20 f.
- Baudi di Vesme, Carlo: Edicta Regum Langobardorum (Turin 1855), S. XLIV
- Boretius 1868, S. LX f.
- Boretius 1897, S. XX f.
- Moschetti 1954, S. 233-240
- Eckhardt K 1954, S. 38
- Mordek 1995, S. 243 f.
- Meyer C 1999, S. 363 Anm. 72
- Zanella, Gabriele: Le „Historie Ferrarienses“ di Pellegrino Prisciani, in: La storiografia umanistica. Atti del convegno internazionale dell’Associazione per il Medioevo e l’Umanesimo latini (Messina, 22–25 ottobre 1987) (Messina 1992) S. 253–265
- Trump 2021, S. 216
- Bibliotheca legum regni Francorum manuscripta, Karl Ubl (Hrsg.) unter der Mitarbeit von Dominik Trump und Daniela Schulz, Köln 2012 ff.
Transkription
Editorische Vorbemerkung zur Transkription
Transkriptionsvorlage: Gutes Farbdigitalisat des Archivio di Stato.
Schreiber
Die Kopie der Liber Papiensis-Handschrift wurde in regelmäßiger humanistischer Minuskel geschrieben. An verschiedenen Stellen wurden einzelne Rubriken in farbiger Tinte und stilisierter gotischer Minuskel gestaltet (z.B. fol. 124v in der Marginalie: lotharius rex). Zwar lässt die verwendete Schriftart keine Schlüsse auf das Alter der von Prisciani verwendeten Vorlage zu, denn er benutzte dieselbe Auszeichnungsschrift auch für den Prolog einer Urkunde König Hugos von 928, die aus dem Original kopiert wurde (fol. 39v, RI I,3,3 Nr. 1540). Dennoch könnte er versucht haben, durch die Verwendung unterschiedlicher Schriftarten das Aussehen seiner Vorlage differenziert wiederzugeben.
Gliederungsmerkmale
Der erste Teil des Liber Papiensis mit den Leges Langobardorum (fol. 66v-109r) ist durchgehend einheitlich strukturiert. Die einem Gesetzgeber zugeordneten Teilabschnitte werden durch rote Rubriken mit Nennung des jeweiligen Herrschers eröffnet. Neben den Rubriken wurde am Beginn jedes neuen Abschnittes Platz freigelassen, wohl für Miniaturen: Auf fol. 87v (Grimoald), fol. 88v, 90r, 91v, 92v, 93r, 94v (hier, im Teil Liutprands, auch an mehreren Stellen zwischen den Kapiteln), fol. 105v (Ratchis) und fol. 107r (Aistulf). Die Skizze zu einer solchen Miniatur findet sich z.B. auf fol. 66r, vor dem Beginn des ersten Teils des Liber Papiensis mit dem Langobardenrecht. Die Binnengliederung erfolgt durch jeweils einen neuen Abschnitt für ein Kapitel, das mit einer Zählung und einer Initiale in roter Tinte eingeleitet wird.
Der Kapitularienteil des Liber Papiensis (fol. 110r-139r) weicht von der Gliederung des vorangehenden Teils ab. Hier werden die Kapitel nicht mehr nummeriert, sondern nur noch durch in die Versalienspalte ausgerückte, rote Initialen markiert. Ab fol. 113r fehlen allerdings die Anfangsbuchstaben der Kapitel entweder ganz oder stehen in sehr kleiner Schrift weit ausgerückt am Rand. Offenbar sollten in einem nachträglichen Bearbeitungsschritt noch farbige Initialen in der Versalienspalte ergänzt werden, was aber nicht mehr erfolgte. Der Beginn eines neuen chronologischen Abschnittes wird zunächst in ähnlicher Weise hervorgehoben wie im vorangehenden Teil der Handschrift: Nach einer roten Rubrik, in der der Gesetzgeber genannt wird, wurde Platz für eine Miniatur freigelassen (so am Anfang des Kapitularienteils Karls des Großen, fol. 110r sowie zu Beginn des Kapitularienteils Pippins von Italien, fol. 117r, und Ludwigs des Frommen, fol. 119v). Dieses Prinzip wird aber nicht einheitlich durchgehalten. Der Beginn des Kapitularienteils Lothars (fol. 124v) erfolgt mitten im Fließtext und wurde ursprünglich nur durch ein LOTHARIUS in vergrößerter Schrift angezeigt. Nachträglich wurde dieser Einschnitt noch durch eine Unterstreichung und ein vorangestelltes Paragraphenzeichen markiert sowie zusätzlich am Rand durch ein lotharius rex in stilisierter gotischer Minuskel (alles in roter Tinte). Darunter wurde eine rote Umrahmung, wohl ebenfalls für eine Miniatur, eingefügt. Der Beginn des Kapitularienteils Ludwigs II. (fol. 131r, Z. 1: Imperat hic diuus nobis alter lodoricus) ist völlig unscheinbar und vom umgebenden Fließtext optisch nur durch einen nachfolgenden Zeilenwechsel abgesetzt. Auch der Beginn des Kapitularienteils Widos (fol. 131v, Z. 8: Imperat ista bonis regalis sermo gidonis, dahinter in etwas größerer Schrift: Gidonis) wurde erst nachträglich durch Unterstreichungen und Paragraphenzeichen in roter Tinte hervorgehoben. Allerdings wurde die Anfangsinitiale des ersten Kapitels hier tatsächlich ausgeführt (in Kapitalis in roter Tinte), und eine rote Umrahmung für eine Miniatur direkt in den Schriftspiegel eingefügt, die der Text umfließt.
Am Übergang von den Leges Langobardorum zu den Kapitularien wurde eine Seite (fol. 109v) freigelassen, die die Überschrift tabula trägt, was darauf schließen lässt, dass hier ebenfalls eine Miniatur geplant war.
Die Kapitel von BK 168 sowie BK 219 c. 5 sind an folgenden Stellen in die Ordnung des Liber Papiensis integriert: BK 168 c. 1-2 bei Ludwig dem Frommen, BK 168 c. 3-5 bei Lothar I. und BK 219 c. 5 bei Ludwig II. (vgl. die Inhaltsbeschreibung oben).
Benutzungsspuren
Ein neuzeitlicher italienischsprachiger Benutzer der Handschrift (wohl Muratori) hat an verschiedenen Stellen Markierungen und Anmerkungen hinterlassen, meist Verweise auf Drucke der jeweiligen Texte (Baluze, Lindenbrog) oder Vermerke, dass etwas noch (in einem Druck?) zu suchen oder nicht zu finden war (z.B. fol. 131r, am Rand: Vide, non inv., quęre). Teilweise wurden nur Zahlen (Seitenangaben?) notiert, z.B. auf fol. 124v jeweils am Rand vor einem Kapitelanfang: 91:, 77: etc.