Capitularia - Edition der fränkischen Herrschererlasse

Kapitular des Monats September 2016: “Prooemium generale” [BK 137]

In der Rubrik „Handschrift des Monats“ haben wir bislang Ergebnisse und Erfahrungsberichte aus der Vorbereitung der digitalen Edition bekannt gemacht. Dies werden wir auch weiterhin tun. Da aber mittlerweile auch das zweite Standbein des Projekts, die Vorbereitung der Printedition, Konturen gewinnt, möchten wir in Zukunft diese Reihe durch die Rubrik „Kapitular des Monats“ ergänzen.

Das erste Kapitular, welches in diesem Rahmen kurz vorgestellt werden soll, zeigt bereits die Schwierigkeit dieser Textsorte an: der Text ist kein “Erlass”, sondern vielmehr eine in Urkundenform gehaltene Verlautbarung ohne eigentlichen Rechtsinhalt. Wegen seiner programmatischen Äußerungen zählt das Dokument neben der Divisio imperii zu den wichtigsten frühen Selbstaussagen Ludwigs des Frommen. In der Forschung wurde dafür der Titel „Prooemium generale“ gebildet, da es sich um die Vorrede für eine Gesetzgebungsinitiative Ludwigs des Frommen handelt, die vier Kapitularien umfasst (BK 138, 139, 140, 141). Die Vorrede und die Kapitularien wurden zwischen dem 25. Dezember 818 und dem 2. Februar 819 auf einer Reichsversammlung in Aachen niedergeschrieben. Im Unterschied zu den vier Kapitularien war die Vorrede aber nicht zur schriftlichen Verbreitung gedacht, denn sie ist nur in zwei Handschriften überliefert: in dem hier schon vorgestellten Handbuch eines kaiserlichen Notars Paris, BN, lat. 2718 und in Kopenhagen, Kongelige Bibliotek, Gl. Kgl. Saml. 1943. 4°. Wie der Schlusssatz zu erkennen gibt, diente die Vorrede vor allem der Instruktion von Ludwigs Söhnen und deren Nachfolgern. Die Inhalte der vier Kapitularien sollten durch Archivierung auf Dauer in Erinnerung behalten werden.

Abb.: Paris, BNF, Lat. 2718: Beginn des Prooemium generale auf fol. 78r (© gallica.bnf.fr).

Alfred Boretius zog für seine MGH-Ausgabe nur die Pariser Handschrift heran. Da der Text darin weitgehend in Tironischen Noten geschrieben ist, musste sich Boretius auf die Transkription von Wilhelm Schmitz verlassen. Schmitz sind nur kleinere Lesefehler unterlaufen, wie Dominik Trump in den Vorarbeiten der digitalen Edition herausfand (z.B. Schmitz/Boretius: omnipotentia; Trump: potentia). Die Kopenhagener Handschrift erlaubt eine Überprüfung des Wortlauts der bisherigen maßgeblichen Edition. Zwar ist sie weit später entstanden und enthält auch einen weitaus fehlerhafteren Text, doch kann sie zumindest an drei Stellen eine bessere Lesart beisteuern:

gubernacula P4, gubernaculis Ko
deo concessis P4, a deo concessis Ko
missos P4, missos nostros Ko

Somit bietet die Vorabedition des Stückes, die hier gemeinsam mit Kommentar und Übersetzung zugänglich gemacht wird, erstmals einen gesicherten Text.

K. Ubl

 


Vorabedition

Editionstext als pdf


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Literatur:

Noble 1976, S. 244
Suchan 2015, S. 235-238
Zwierlein 2016

Empfohlene Zitierweise
Karl Ubl, Kapitular des Monats September 2016: “Prooemium generale” [BK 137], in: Capitularia. Edition der fränkischen Herrschererlasse, bearb. von Karl Ubl und Mitarb., Köln 2014 ff. URL: https://capitularia.uni-koeln.de/blog/kapitular-des-monats-bk-137/ (abgerufen am 21.11.2024)