London, British Library, Egerton 2832
Beschreibung der Handschrift nach Mordek
Aufbewahrungsort
LondonBritish Library
Egerton 2832
Entstehung und Überlieferung
Entstehung:
10. Jh., Anfang; Nordostfrankreich.
Provenienz:
Corbie (?). Pierre und François Pithou waren noch im Besitz des Gesamtkorpus. Nach Tischler 2008 S. 244 f. mit Anm. 152, gehörte das Londoner Einzelblatt jedoch bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr dazu. Später in drei Teile zerlegt und getrennt verkauft. Dieser Teil: Bewegte Geschichte: 16.-17. Jh. im Besitz von Pierre und François Pithou; deren Neffe Pierre Pithou, Sohn von Antoine Pithou, gab den Codex an François Desmarés, De curia patronus (Vermerk fol. 2r); Präsident Le Pelletier (Wappen auf dem Innendeckel); Caroline Fernande Louise de Bourbon, Herzogin von Berry (Wappen der Bibliothèque de Rosny auf dem Innendeckel; verkauft 1837); Lord Ashburnham (Ms. Barrois 214; verkauft 1901 bei Sotheby's [Barrois sale, lot 332]).
Äußere Beschreibung
Material: | dickes, durch Wasserschaden stark gewelltes Pergament |
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Umfang: | insgesamt noch 183 foll., hier 47 foll. (gezählt 3-53, davor 3 Papierblätter, das dritte nicht numeriert; zwei der fehlenden drei Blätter der ersten Lage sind - nach Krusch von der Hand Pierre Pithous - durch die neuen Pergamentblätter 6-7 und 10-11 ersetzt; foll. 36-39 gehören nach fol. 43) |
Maße: | ca. 235 × 165 mm |
Schriftraum: | 175-180 × 115 mm |
Lagen: | Die Lagen sind nur anhand der Kustoden rekonstruierbar, da die
Doppelblätter bei der Restauration in Einzelblätter zerlegt wurden:
(IV-3)11 + 4 IV43 + (IV-6)45 + IV53
Kustoden: q. II (19v), Q III (27v),
Q. IIII (35v), Q. V (39v), Q VI (45v), Q. VII (53v).
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Zeilen: | 25 |
Spalten: | 1 |
Schrift: | karolingische Minuskel |
Schreiber: | Auch Textergänzungen auf dem alten Pergament von der Hand Pithous (4v, 8r, 9v, 44v, 45r u. ö.) |
Ausstattung: |
Rubriken (Capitalis rustica) in Rot, zuweilen braun nachgezogen, selten ganz in Braun; Initialen in brauner Texttinte |
Inhalte
Anmerkung:
Der Umfang dieses auch für die Textüberlieferung wichtigen spätkarolingischen Rechtsbuches wird erst aus der Rekonstruktion der heute versprengten Teile sichtbar, die immerhin noch 183 Blätter1* ausmachen. Demnach folgen auf das fränkische Recht der Salier und Ribuarier, dem sich die seltene Lex Saxonum anschließt, der knappe Kapitularienteil mit Erlassen Karls des Großen (in gleicher Abfolge schon in Cod. Montpellier H 136) und Ludwigs des Frommen (bis a. 818/819) sowie weitere Leges (Alamannorum, Baiuvariorum, Burgundionum) und römisches Recht. Vielleicht sind nach der fragmentarischen Divisio regnorum am Schluß noch Kapitularien verlorengegangen.
Daß der (erhaltene) Kapitularienblock von Leges eingerahmt wird, ist keine Besonderheit. Ungewöhnlicher schon scheint die Position der Lex Romana Visigothorum2* gegen Ende zwischen zwei Leges und der danach vorgenommene erneute Rückgriff auf Kapitularienrecht. Dies dürfte die Annahme Kruschs bestätigen, das in zwei Teilen geschaffene Werk (Teil II ab Cod. Paris Lat. 4633, fol. 36, inmitten der Lex Baiuvariorum) sei nicht ursprünglich so geplant gewesen.
Bibliographie
Literatur:
- E. Spangenberg, Beyträge zu den Teutschen Rechten des Mittelalters (Halle 1822, Nachdruck Amsterdam 1970) S. 185-191
- Pertz G 1835, S. XXIII
- Pardessus 1843, S. XXXIX f.
- Pertz G 1858, S. 87-96
- MGH LL 3 (1863), S. 5, 184, 514-516
- K. Freiherr von Richthofen, Zur Lex Saxonum (Berlin 1868) S. 18 ff.
- MGH LL 5 (1875-1889), S. 200 f., 202
- Boretius 1897, S. XII, XVII
- Krusch 1924, S. 40-44
- Buchner 1940, S. 89 f.
- Eckhardt K 1954, S. 33
- Theuerkauf 1968, S. 49, 67 f. (mit weiterer Literatur)
- Kottje 1987, S. 373
- Mordek 1988, S. 81
- McKitterick 1989, S. 46, 52 Tab. A
Kataloge:
- Catalogus codicum manuscriptorum Bibliothecae Regiae 3, 3 (Paris 1744) S. 617
- F. Madden, Index to the Additional Manuscripts, with those of the Egerton Collection, preserved in the British Museum, and acquired in the years 1783-1835 (London 1849)
- Catalogue of Additions to the Manuscripts in the British Museum in the Years MDCCCC-MDCCCCV (London 1907) S. 386 f.
Projektspezifische Referenzen:
- Mordek 1995, S. 226-231
- Tischler 2008, S. 199 f., 244-246
- Bibliotheca legum regni Francorum manuscripta, Karl Ubl (Hrsg.) unter der Mitarbeit von Dominik Trump und Daniela Schulz, Köln 2012 ff.
Transkription
Editorische Vorbemerkung zur Transkription
Transkriptionsvorlage: Die Transkription wurde erstellt nach hochauflösenden Farbdigitalisaten der British Library.
Schreiber
Foll. 50v-53v: Dieser Teil wurde von einer Hand in karolingischer Minuskel geschrieben. Vereinzelte kleinere Korrekturen scheinen von einer zweiten Hand (X) vorgenommen worden zu sein: Evtl. die Nachzeichnung (?) des DC auf fol. 52v, Z. 17 und die Ergänzung des ad im zweiten Teil der Kopie von BK 139, die sich heute in der Hs. London Egerton 269 befindet (fol. 11v, Z. 1). In beiden Fällen wurde etwas dunklere Tinte und ein unziales d verwendet, das sich bei der Haupthand nicht findet.
Buchstabenformen
Foll. 50v-53v: Die leicht rechtsgeneigte Schrift der Haupthand ist im Mittelband klein und gedrängt, während die teilweise etwas verdickten Oberlängen steil in die Zeilenzwischenräume ragen.
Einzelbuchstaben: Neben dem einstöckigen a taucht auch cc-a auf (z.B. fol. 52r Z. 12: habeat [a1]). Das e hat oft einen am oberen Bogenabschnitt ansetzenden, nach rechts ausgreifenden Balkenfortsatz (z.B. fol. 52v Z. 7: terra, fol. 53r Z. 9: debet). Gelegentliche Verwendung von Majuskel-N (z.B. fol. 52v Z. 12: nouiter). Zwischen Doppel-s steht oft ein sehr großer Abstand (z.B. fol. 52v, Z. 14: caussa und Z. 17: fecisse).
Ligaturen: Auf Ligaturen wird verzichtet.
Besonderheiten: Überschriften und Auszeichnungsbuchstaben in Capitalis rustica.
Gliederungsmerkmale
Foll. 50v-53v: BK 134 ist als separat nummerierte Kapitelliste enthalten, die mit INCIPIT CAPITULA HLUDUUUICI IMPERATORIS beginnt und mit EXPLICIT (in Texttinte) endet. Das Incipit und die Kapitelzählung (i.d.R. am Ende der vorangehenden Zeile) sind in roter (auf dem Digitalisat aber oft braun erscheinender) Tinte geschrieben, während die über zwei Zeilen reichenden Initialen zu Beginn der Kapitel in brauner Texttinte gehalten sind. Bei c. 1 fehlt die Zählung, stattdessen steht vor der Zeile nur cap. in Texttinte. Gelegentlich werden Majuskelbuchstaben im Text etwas größer und dicker ausgeführt (z.B. auf fol. 51v).
Den aufeinander folgenden Kapitellisten BK 139 und 140 (cc. 1-7, mit vorangestelltem Zusatzkapitel De seruis ad sacros ordines non mittendis, ein Auszug aus BK 138 c. 6; vgl. Boretius - Krause Bd. 1 S. 286) ist eine gemeinsame Capitulatio auf fol. 52r-v vorangestellt, deren Einträge in Minuskel mit leicht vergrößerten Anfangsmajuskeln in hellbrauner Texttinte gehalten sind, während die vorangestellte Nummerierung mit römischen Ziffern wohl in roter Tinte vorgenommen wurde, die aber heute an den meisten Stellen dunkelbraun erscheint. Die Nummerierung und die Kapitelüberschriften des ausgeschriebenen Textes sind ebenfalls in roter Tinte geschrieben, während die jedes Kapitel einleitenden, in der Höhe über zwei Zeilen reichenden Anfangsinitialen in Texttinte gehalten sind.
Während die Capitulatio die Rubriken der beiden aufeinanderfolgenden Kapitellisten als cc. I-XXVIIII durchzählt, setzt die Kapitelzählung im anschließend ausgeschriebenen Text nach XXI (= BK 139 c. 21) neu mit I (= Zusatzkapitel vor BK 140) ein und bezieht auch die im Anschluss kopierten Kapitel BK 156 cc. 1-3 (2 und 3 zusammengefasst in eins), die nicht in der Capitulatio erscheinen, als IX und X als Fortsetzung derselben Liste mit ein.
Benutzungsspuren
Foll. 50v-53v: Neuzeitliche Randvermerke mit Verweis auf die Seitenangabe der Edition von Baluze finden sich am Beginn der Kopie von BK 134 auf fol. 50v (To. I. Capitular. pag. 601. - Verwechslung mit BK 139 c. 10, das über weite Strecken mit dem Wortlaut von BK 134 c. 1 übereinstimmt) sowie von BK 139 auf fol. 52v (To. I. Capitular. pag. 597.). Am unteren rechten Rand von fol. 53r von neuzeitlicher Hand: 49 (?).
Sonstiges
Foll. 50v-53v: Tinte/Pergament: Die sehr helle, blassbraune Texttinte ist an vielen Stellen durch Wasserschäden verlaufen oder teilweise ausgewaschen (besonders auf fol. 53v). Auf fol. 53 zieht sich eine senkrechte Falte mitten durch den Text, die offenbar schon bei der Herstellung der Hs. vorhanden war, denn der Text in Z. 8-19 weicht ihr erkennbar aus.