Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. Lat. 5359
Beschreibung der Handschrift nach Mordek
Aufbewahrungsort
VatikanBiblioteca Apostolica Vaticana
Vat. Lat. 5359
Entstehung und Überlieferung
Entstehung:
9. Jh., 2. Hälfte; Oberitalien (Verona?) (Verona auch bei Bischoff).
Provenienz:
S. Zeno Maggiore (Verona) (1r, 14. Jh.: Liber monasterii sancti Zenonis maioris Verone); Theodor van Malsen, Utrecht (nach Moschetti eventuell Theodorus Canterus) (1r, im 16. Jh. mit dicker Tinte über den Besitzvermerk von S. Zeno geschrieben: Liber hic est Theodori à Malsen Ultraiectini).
Äußere Beschreibung
Material: | derbes Pergament |
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Umfang: | 146 foll., handliches Format; je 1 Blatt vor foll. 49 und 116, 2 Blätter vor fol. 146 herausgeschnitten; foll. 105/110 der 14. Lage gehören als äußeres Doppelblatt an die Stelle der heutigen foll. 104/111 |
Maße: | ca. 205 × 140 mm |
Schriftraum: | ca. 150-170 × 95-115 mm |
Lagen: |
6 IV48 + (IV-1)55 +
7 IV111 + (IV-1)118 + 3
IV142 + (III-2)146
spätere Kustoden: I-XIX am Ende der
Lagen
|
Zeilen: | 20-23 meist unregelmäßig ausgeführte Zeilen |
Spalten: | 1 |
Schrift: | rohe frühkarolingische Minuskel |
Schreiber: | mehrere Hände |
Ausstattung: |
Rubriken (meist Unziale, auch Minuskel, am Anfang Capitalis rustica) dunkelrot und in brauner Texttinte, ebenso die meist einfachen Initialen (einige in Umrißzeichnung) und die Zahlen |
Inhalte
Anmerkung:
Großteils Palimpsest; Erstschrift foll. 1-50, 53-118, 139: Psalterium cum canticis, Unziale und Halbunziale des 7./8. Jh., Oberitalien (Verona?); foll. 51-52: Minuskel 9. Jh. Das eindeutig italienische Rechtswerk des spätkarolingischen Cod. Vatikan Vat. Lat. 5359 fügt zu den Leges Langobardorum nur wenige Kapitularien Lothars I. von Pavia (a. 832) und Olonna (a. 825).
Bibliographie
Literatur:
- Bluhme bei Pertz G 1824-1825, S. 239-247
- Pertz G 1835, S. XXVI
- Baudi di Vesme 1855, S. XXVIII f.
- MGH LL 4 (1868), S. XXIV f.
- CLA 1 (1934) Nr. 23, S. 8, 39 mit CLA Suppl. (1971) S. 43
- G. Moschetti, Primordi esegetici sulla legislazione longobarda nel sec. IX a Verona (Centro italiano di studi sull'alto medioevo 1, Spoleto 1954) besonders S. 15-51
- G. Tangl, Die Paßvorschrift des Königs Ratchis und ihre Beziehung zu dem Verhältnis zwischen Franken und Langobarden vom 6.-8. Jahrhundert, in: QFIAB 38 (1958) S. 1 Anm. 1, S. 2
- K. Gamber, Codices liturgici latini antiquiores 2 (Spicilegii Friburgensis subsidia 1, 2, Freiburg/Schweiz, 2. Aufl. 1968) S. 578 Nr. 1606 (zum Palimpsest)
- Dolezalek 1972, Bd. 2
- P. Salmon, Les manuscrits liturgiques latins de la Bibliothèque Vaticane 5 (Studi e Testi 270, Vatikan 1972) S. 3 (zum Palimpsest)
- M. L. Angrisani, Materiali per uno studio della produzione libraria latina antica e alto medievale in Italia (II), in: Accademia Nazionale dei Lincei. Bollettino del Comitato per la preparazione dell’edizione nazionale dei classici greci e latini, nuova ser., 26 (1978) S. 124 Nr. 344
- Buonocore 1986, Bd. 2, S. 1181
- K. Gamber, Codices liturgici latini antiquiores/Supplementum (Spicilegii Friburgensis subsidia 1 A, Freiburg/Schweiz 1988) S. 115 Nr. 1065 und S. 156 Nr. 1606 (zum Palimpsest)
Kataloge:
- Inventarium librorum latinorum Mss. Bib. Vat. 6 (handschriftlich in der Biblioteca Apostolica Vaticana)
Abbildungen:
- Baudi di Vesme 1855, Tab. III, 3 nach S. XXVIII (Nachzeichnungen)
- CLA 1, Nr. 23, S. 8 (foll. 4v und 65v, Ausschnitte)
- Moschetti, Primordi esegetici, Tav. I-VII (foll. 1r, 3r, 16r, 24r, 131r, 143r und 146r)
Projektspezifische Referenzen:
- Schneider H 1938
- Mordek 1995, S. 881-883
- Bischoff 2014, S. 452-453, Nr. 6903-6904
- Garipzanov 2021
- Pani 2022, S. 25, 28
- Bibliotheca legum regni Francorum manuscripta, Karl Ubl (Hrsg.) unter der Mitarbeit von Dominik Trump und Daniela Schulz, Köln 2012 ff.
Transkription
Editorische Vorbemerkung zur Transkription
Transkriptionsvorlage: Schwarz-Weiß-Digitalisat vom Mikrofilm. Nachdem 2018 ein hochauflösendes Farbdigitalisat online gestellt wurde, erneute Kollation; unsichere Lesungen und Korrekturen wurden zudem bei einer Autopsie des Originals in der BAV am 7./8. Mai 2019 geprüft.
Schreiber
Foll. 142v-146r: Es sind zwei Hände zu beobachten. Beide schreiben eine frühe karolingische Minuskel. Schreiber A, der eine relativ grobe und flüchtige Minuskel schreibt, kopierte den Text auf foll. 142v-143r Z. 17 und übernahm danach jeweils noch einige Zeilen (foll. 144v Z. 18-22 und 145r Z. 8-9). Schreiber B, dessen Minuskel wesentlich klarer, sauberer und breiter geschrieben ist als diejenige von Schreiber A, setzt ab BK 201 c. 3 (fol. 143r Z. 18) ein und schreibt mit Ausnahme der erwähnten Zeilen bis zum Ende. Die Inskription zu BK 201 erscheint in Minuskel, die Zwischenüberschriften innerhalb von BK 201 sowie die Inskription von BK 165 (s.u.) in Unziale, bei der allerdings auch das doppelstöckige c zu finden ist.
Bei Schreiber A ist con statt cum und auch c statt qu zu beobachten. Schreiber B hat ebenfalls orthographische Varianten, so steht öfter b statt u, c statt t, d statt t, n statt g (renno statt regno, fol. 144r Z. 18) oder u statt o. Daneben ist sowohl Haplo- als auch Dittographie (uu statt einfachem u) zu beobachten.
Buchstabenformen
Foll. 142v-146r:
Schreiber A:
Einzelbuchstaben: Einstöckiges a, das teilweise nicht ganz geschlossen ist. Das c erscheint öfter doppelstöckig und geht über das Mittelband hinaus. Gerades d. Das e hat zum einen die Form mit geschlossenem, oberen Bogenabschnitt und Balkenfortsatz, zum anderen geht es in Ligatur über das Mittelband hinaus und hat einen offenen oberen Bogen. Beim g ist meistens sowohl der untere als auch der obere Bogen offen. Verwendung von i-longa am Wortanfang. Neben dem normalen Minuskel-n gibt es eine n-Form, bei der der Bogen weit über das Mittelband hinausgeht (sanguinis, fol. 143r Z. 14). Das r hat größtenteils eine weit ausschwingende Fahne, in Ligatur findet sich spitzes r. Insgesamt sind die Oberlängen sehr lang und verdickt, teils mit Anstrichen.
Ligaturen: Ligaturenreiche Schrift, vor allem in Verbindung mit e (ec, et, ex etc.) und mit r (vor allem re).
Schreiber B:
Einzelbuchstaben: Einstöckiges a, das zuweilen sehr offen ist (z.B. indigenciam, fol. 144v Z. 2). Das c erscheint zumeist doppelstöckig und geht über das Mittelband hinaus, die Normalform ist aber ebenfalls öfter zu beobachten. Der zweite Bogen des doppelstöckigen c ist wesentlich klarer und deutlicher geschrieben als bei Schreiber A. Gerades d neben unzialem D. Das e erscheint zum einen mit geschlossenem, oberen Bogenabschnitt und Balkenfortsatz, in Ligatur wird es doppelstöckig und geht über das Mittelband hinaus. Oberer und unterer Bogen des g ist offen. Verwendung von i-longa am Wortanfang. Teilweise Majuskel-N am Wortanfang und mitten im Wort. Neben dem normalen Minuskel-n kennt auch dieser Schreiber eine n-Form, bei der der Bogen weit über das Mittelband hinausgeht. Selten Majuskel-R. Rundes s neben Schaft-s. Insgesamt sind die Oberlängen sehr lang und verdickt, haben aber keine Anstriche.
Ligaturen: Sehr ligaturenreiche Schrift, vor allem mit e (ec, ei, et) und r. Sehr markant ist die ri-Ligatur, bei der das i eine gezackte Linie bildet, welche unter die Grundlinie reicht.
Gliederungsmerkmale
Foll. 142v-146r: Die Kopie von BK 201 beginnt mit der Rubrik zu c. 1, erst dann folgt die Inskription zum gesamten Kapitular, dann alle Kapitel, die ab c. 2 von II bis XIIII durchgezählt sind. BK 201 c. 1 ist wohl nicht gezählt oder aber die Zählung ist in der Bindung verschwunden. In die durchgehende Kapitelzählung mischen sich immer wieder Zwischenüberschriften, die einzelne oder mehrere Kapitel einem oder auch zwei karolingischen Herrschern zuordnen (Karl, Lothar, Ludwig). Im Anschluss daran folgt wohl der Anfang von BK 165, von dem sich wegen Blattverlusts nur die fragmentarische Inskription sowie cc. 10-14 erhalten haben. Die cc. 10-14 sind von X bis XIII gezählt, cc. 13-14 sind dabei unter XIII vereint. Die Kapitelnummern stehen hauptsächlich am linken Seitenrand, teilweise aber auch mitten im Text.