Berlin, Staatsbibliothek – Preußischer Kulturbesitz, Lat. qu. 931 (zur Zeit Krakau, Biblioteka Jagiellońska)
Beschreibung der Handschrift nach Mordek
Aufbewahrungsort
BerlinStaatsbibliothek - Preußischer Kulturbesitz
Lat. qu. 931
Entstehung und Überlieferung
Entstehung:
9. Jh., Ende oder 9./10. Jh. (Mordek), 9./10. Jh. (Bischoff); Alemannien (St. Gallen?) (Mordek, Bischoff)
Provenienz:
Kloster Mondsee, vgl. Bischoff, Schreibschulen 2, S. 25: „Im späteren Mittelalter ... in Mondsee, wie durch die Fragmente aus dem Einband (Berlin, Fragm. 47), Membra disiecta zu Wien, Ser. nov. 3754, gesichert wird“. Weitere Station: Freiherr Ferdinand Hoffman von Grünbühel und Strechau (bei Rottenmann und Lassing unweit von Liezen, nordwestliche Steiermark) (Exlibris, vom vorderen Einbandspiegel gelöst: „Ex Bibliotecha Illvstris ac Generosi Domini Dni. Ferdinandi Hoffman Liberi Baronis in Grvnpvhel et Strecav, Dni. in Grevenstain et Ianowitz, Svpremi Hæreditarii Cvriæ Magistri Dvcatus Styriæ et Svpremi Marsalci Archidvcatvs Avstriæ, Sacratiss.mæ Cæs.æ et Regiæ Maiestatis Consiliarii et Cameræ Avlicæ Præfecti. etc.“; darüber, von zwei Putten der Barockvignette getragen, das Wappen der Hoffmans mit gekröntem Löwen, zwei Steinböcken und zwei Garben, wie für das 16. Jh. beschrieben von J. Krassler, Steirischer Wappenschlüssel [Veröffentlichungen des Steiermärkischen Landesarchives 6, Graz 1968] S. 249, auch S. 188 und 265). Später Fürstlich Dietrichsteinsche Bibliothek auf Schloß Nikolsburg in Mähren (Signatur: II 179), daher in der älteren Literatur oft Nikolsburger Hs. genannt. 21./22. November 1933 in Luzern versteigert. Von Paul Fridolin Kehr 1934 der Staatsbibliothek in Berlin geschenkt (eingeklebter Widmungszettel vor fol. 1: „Diese Ansegishs stiftet der Preuss. Staatsbibliothek als Zeichen seines Dankes für die ihm und den Monumenta Germaniae gewährte grossartige Hospitalität Paulfridolin Kehr. Berlin 14 Juni 1934“). 1941 nach Grüssau/Schlesien ausgelagert.
Äußere Beschreibung
Material: | Pergament |
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Umfang: | 89 foll. |
Maße: | 275 × 195 mm |
Schriftraum: | 190 × 120 mm |
Zeilen: | 24 |
Spalten: | 1 |
Schrift: | sorgfältige karolingische Minuskel |
Schreiber: | wohl wenigstens zwei Hände |
Inhalte
Anmerkung:
Der erst spät ans Licht gekommene, dann lange verschollene und jetzt wieder aufgetauchte Berolinensis, von dem sich eine Abschrift in Cod. München Lat. 6360 erhalten hat, präsentiert eine Collectio Ansegisi, die unter thematischen Gesichtspunkten, also nicht nach dem jeweiligen Urheber der Kapitularien, vorwiegend italienische Addenda einstreute (fast alle Kapitel des Capitulare Olonnense a. 822/823 und zwei Drittel des Capitulare Olonnense mundanum a. 825).
Der so angereicherte Ansegis floß wiederum ein in die voluminöse Rechtssammlung des Cod. München Lat. 3853 mit Verwandten (vgl. Krause, Die Münchener Handschriften 3851. 3853, S. 109-111; ohne Kenntnis des Berolinensis).
Bibliographie
Literatur:
- W. Wattenbach, Reise nach Österreich in den Jahren 1847, 1848, 1849, in: Archiv 10 (1851) S. 693
- B. Dudík, Handschriften der fürstlich Dietrichstein’schen Bibliothek zu Nikolsburg in Mähren, in: Archiv für österreichische Geschichte 39 (1868) S. 491 f.
- Seckel 1914, S. 378 Anm. 3 von S. 377
- Christ 1937, S. 314
- Bischoff 1980, S. 25
- W. Milde, Lateinische Handschriften der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek Berlin in der Biblioteka Jagiellońska Krakau, in: Codices manuscripti 12 (1986) S. 88
Kataloge:
- Codices manuscripti latini 2 (ungedruckter Katalog)
Abbildungen:
- Auktionskatalog Bibliothek Alexander Fürst Dietrichstein, Schloß Nikolsburg, Versteigerung am 21./22. November 1933, Gilhofer und Ranschburg, Wien - Luzern, Taf. 20 (fol. 26v)
Projektspezifische Referenzen:
Transkription
Editorische Vorbemerkung zur Transkription
Transkriptionsvorlage: Die Transkription wurde nach einem hochauflösenden Farbdigitalisat der Biblioteka Jagiellońska Krakau erstellt.
Schreiber
In den transkribierten Abschnitten zwei Hände, die jeweils eine saubere und gleichmäßige karolingische Minuskel, Hand A (foll. 2r-36r) und Hand B (foll. 45r-80r), schreiben. Beide verwenden ein q, dessen Unterlänge in einer Serife endet, ein s fast ohne Unterlänge sowie am Wortanfang oft v statt u. Ein Korrektor ergänzte im von Hand A geschriebenen Abschnitt mehrfach e zu e-caudata; möglicherweise ist dieser Korrektor identisch mit Hand B. Selten ferner Modifikationen von Worttrennungen mittels Verbindungsstrich, z.B. fol. 35r, Z. 16 sine cesse zu si necesse (bzw. sinecesse).
Buchstabenformen
Hand A: Unziales D neben geradem d; e-caudata mit blitzförmiger Cauda. Et-Ligatur mit verkümmertem oberen Bogenabschnitt und nach links umgebogenem t-Schaft. Die ni- und mo-Ligaturen jeweils mit unter der Zeile angehängtem Vokal, z.B. fol. 30r, Z. 2.
Hand B: Überwiegend gerades d, unziales D nur vereinzelt; e-caudata mit Cauda in Form einer Stimmgabel. Et-Ligatur mit voll ausgeprägtem, geschlossenem oberen Bogenabschnitt und einer nach rechts ausgezogenen Fahne am t-Schaft.
Abkürzungen
Hand A: Kürzungszeichen ist ein leicht ansteigender, z.T. rechts nach oben umgebogener Strich.
Hand B: Überwiegend Verwendung eines wellenförmigen Kürzungsstrichs. Die pro-Kürzung weit nach links ausgezogen und kaum umgebogen.
Gliederungsmerkmale
BK 157, 165 sowie die Auszüge aus BK 167 und 201 sind jeweils vollständig in die vier Bücher der Ansegis-Sammlung integriert. Für die Kapitel von BK 157 und 165 wurden dazu jeweils eigene Kapitelrubriken formuliert (für die beiden Kapitel aus BK 167 und 201 jeweils nur minimalistisch ITEM). Diese Rubriken sind dem Kapiteltext vorangestellt sowie in die Capitulationes der einzelnen Bücher eingeschoben. Dabei wurde auch die Kapitelzählung angepasst, so dass hier keine Kapitelzahlen doppelt vorkommen.
Im Einzelnen sind die Kapitel folgendermaßen auf die vier Bücher verteilt:
BK 157 c. 1-2 = Ansegis 1, LXXVIIII-LXXX (ebenso in der Capitulatio auf fol. 4v).
BK 157 c. 3-5 = Ansegis 1, CV-CVII (ebenso in der Capitulatio auf fol. 5r).
BK 165 c. 1-3, 6 = Ansegis 2, XVI-XVIIII (ebenso in der Capitulatio auf fol. 29v-30r).
BK 167 c. 1 = Ansegis 3, XLII (ebenso in der Capitulatio auf fol. 46r).
BK 201 c. 11 = Ansegis 3, XLIII (ebenso in der Capitulatio auf fol. 46r).
BK 165 c. 4-5 = Ansegis 4, LXXII, LXXVI (ebenso in der Capitulatio auf fol. 64r).
Benutzungsspuren
Auf dem linken Rand von fol. 54v neben BK 201 c. 11 mit gröberer Feder und anderer Tinte ein am Ende verwischtes Decer, möglicherweise in Verbindung mit dem Kapitelanfang Decernimus zu sehen.
Einzelne Unterstreichungen mit Blei, z.B. fol. 2v, auf fol. 2r bei Personennamen sogar anfangs mit Rötel; möglicherweise von der gleichen neuzeitlichen Hand, die fol. 2r auf Höhe der Datierung im Ansegis-Vorwort (Anno incarnationis ipsius DCCCXXVII) am Rand 827 ergänzte.
Sonstiges
Pergament stellenweise so dünn, dass die Schrift der Rückseite deutlich durchscheint.