Cologny (Genf), Fondation Martin Bodmer, Cod. Bodmer 107
Beschreibung der Handschrift nach Mordek
Aufbewahrungsort
Cologny (Genf)Fondation Martin Bodmer
Cod. Bodmer 107
Entstehung und Überlieferung
Entstehung:
9. Jh., Ende (Mordek), 9. Jh., 2. Viertel (Bischoff); wohl Nordwestdeutschland (Mordek), Niederdeutschland (Bischoff).
Provenienz:
Die Hs. wurde im Jahre 1794 von Graf Johann-Christian Solms, ansässig auf Schloß Klitschdorf bei Bunzlau (Schlesien), erworben und wird deshalb in der älteren Literatur als Klitschdorfer Hs. oder als Hs. des Grafen Solms-Baruth (Codex Solmsianus) zitiert. Werminghoff notierte 1897 (MGH Capit. 2, S. XVII): „Codex Klitschdorfianus ... nunc in castro Wehrau prope Bunzlau sub ‘Rep. Xb. IV. I´ asservatus“. 1960 von Martin Bodmer bei H. P. Kraus in New York gekauft.
Äußere Beschreibung
Material: | Pergament |
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Umfang: | 143 foll. |
Maße: | 240 × 175 mm |
Schriftraum: | 170 × 120-125 mm |
Lagen: |
IV8 + (IV-3)13 + IV21 + (IV-1 [vor 22])28 + 3 IV52 + (IV-2 [vor
57])58 + IV66 + (IV-1
[vor 69])73 + IV-5 [nach 76; noch 2 schmale
Blattreste mit Schrift erhalten: 76<bis>
und 76<ter>])76 + 4
IV108 + (IV-1 [nach 115])115 + IV123 + (V-1 [vor 132])132 + IV140 + (IV-5 [4
Blätter fehlen nach 142, eins nach 143])143 ,
danach noch Blattreste von IV + II + IV. Geht man davon aus, daß der
heutige Binio einst ein Quaternio war, so käme man - mit K. Lehmann -
auf insgesamt 186 foll. für die ursprüngliche Hs. Gerade im heute
fehlenden Schlußteil könnten weitere Kapitularien gestanden haben (auf
den Resten nach 143 sind nur noch wenige Buchstaben lesbar, keine
Worte.
Jüngere Kustoden: IIII (52v), VI (66v), VIIII (84v),
X (92v), d. h. die Hs.
begann einst mit der Lex Salica emendata vor fol. 22. Die Blätter 1-21
waren wohl ursprünglich an einer anderen Stelle der Hs. plaziert oder
separat aufbewahrt.
|
Zeilen: | 22 |
Spalten: | 1 |
Schrift: | regelmäßige karolingische Minuskel |
Schreiber: | mehrere Hände |
Ausstattung: |
Text in hell- und dunkelbrauner Tinte; Rubriken in Capitalis rustica oder Unziale, rot und braun, ebenso die einfachen Initialen; rote Zahlen |
Inhalte
Anmerkung:
Die auf das Leges-Quartett (Salica, Ribuaria, Alamannorum, Baiuvariorum)
folgende kleine Kapitulariensammlung mit Erlassen Karls des Großen ist nur
noch fragmentarisch erhalten. Am Schluß könnten jene Texte verlorengegangen
sein, die in der nahestehenden Kapitulariensammlung der Codd. Vatikan
Reg. Lat. 1036 und Reg. Lat. 1728 an dieser Stelle
auftauchen: Capitulare Bononiense und Capitulare de iustitiis faciendis,
beide vom Jahre 811. Möglicherweise kommen auch die zahlreicheren,
gleichfalls nur bis 811 reichenden Stücke des Cod. Nürnberg Cent. V, App.
96 in Betracht, der in einer ähnlichen Abfolge von Texten (siehe
dort) als Mittradent des seltenen c. 3 Nr.
104 auszumachen ist.
Verwandt ist das Opusculum zudem mit der
Kapitulariensammlung des Cod. St. Petersburg Q. v. II. 11;
die Gemeinsamkeiten beginnen, abgesehen von der Lex Salica, ab fol. 133r mit
MGH Capit. 1, Nr. 39 und den Lex-Salica-Kapiteln 71 und 72, 1 (Nachtrag) und
reichen über MGH Capit. 1, Nrn. 40, 104 c. 3 und Recapitulatio solidorum der
Lex Salica bis Nr. 67, dem fragmentarischen Ende der St. Petersburger
Hs.
Der durchaus zu beachtende Cod. Cologny Bodmer 107 ist zwar im
Conspectus librorum (MGH Capit. 2, S. XVII) vermerkt, doch mit ganz
unzureichender Inhaltsangabe, so daß Werminghoff seine Information aus
zweiter Hand bezogen haben muß. Dem Herausgeber Boretius dürfte das
Manuskript unbekannt geblieben sein, denn er hat es für seine Ausgabe nicht
benutzt.
Bibliographie
Literatur:
- M. Conrat (Cohn), Aus Handschriften, in: ZRG Rom. Abt. 9 (1888) S. 389-393
- Conrat 1891, S. 92 mit Anm. 2, S. 312
- Boretius 1897, S. XVII
- Mommsen 1905, Bd. 1, 1, S. LVII
- E. von Schwind, Kritische Studien zur Lex Baiuvariorum, in: NA 37 (1912) S. 418
- Krusch 1924, S. 89-99, 347
- Christ 1933, S. 247
- Buchner 1940, S. 94
- Eckhardt K 1954, S. 35
- Kottje 1986, S. 21, 23
- Kottje 1987, S. 374, 377
- Krämer 1989, S. 284 und 3, S. 129 („Nicht aus Fulda“)
Kataloge:
- E. Pellegrin, Manuscrits latins de la Bodmeriana (Bibliotheca Bodmeriana. Catalogus V: Manuscrits latins, Fondation Martin Bodmer, Cologny-Genève 1982) S. 207-217
Abbildungen:
- B. Gagnebin, Une source capitale pour la recherche à Genève: La Fondation Martin Bodmer (durchgesehener und ergänzter Nachdruck 1967) Fig. 10 (foll. 60v und 61r)
Projektspezifische Referenzen:
- Wetzel 1994, S. 215-216
- Mordek 1995, S. 113-118
- Bischoff 1998, S. 207-208, Nr. 962
- Coumert 2023, S. 16, 299, 310, 316, 317, 321, 385, 386
- Innovating Knowledge Database
- Bibliotheca legum regni Francorum manuscripta, Karl Ubl (Hrsg.) unter der Mitarbeit von Dominik Trump und Daniela Schulz, Köln 2012 ff.
Transkription
Editorische Vorbemerkung zur Transkription
Transkriptionsvorlage: Sehr gutes Farbdigitalisat.
Schreiber
Der Schreiber kopierte den Text in einer sehr sauber ausgeführten karolingischen Minuskel. Die Worttrennung wurde aber nicht immer korrekt vorgenommen (z.B. fol. 136r: Vtepi depbris etclericis.)
Buchstabenformen
Ligaturen werden insgesamt relativ sparsam eingesetzt, es finden sich Ligaturen von et, bei denen der obere Teil keine übliche Schlaufe, sondern nur ein diagonaler Strich ist, sowie NT, or, ra und us. Bei Verneinungen (non, neque etc.) verwendet der Schreiber gerne Majuskel-N.
Abkürzungen
Der Schreiber verwendet nur gängige Abkürzungen, auffälliger ist nur nrt für noster (fol. 137r Z. 5).
Gliederungsmerkmale
BK 39 wird durch eine rote Rubrik in Unziale eingeleitet. Die Kapitelnummern sind ebenfalls in Rot ausgeführt. Bei c. 5 steht zusätzlich CAP vor der Kapitelnummer. C. 8 und 9 wurden beide mit VIII gezählt und c. 10 wurde bei der Zählung übersprungen, so dass c. 11 die Kapitelnummer VIIII erhielt. Die Initialen, die jedes Kapitel einleiten, sind mal in roter, mal in Texttinte geschrieben worden.
BK 20a, die sog. Forma communis des Capitulare Haristallense, wird durch den Prolog eingeleitet, dessen erste Zeile in Capitalis rustica geschrieben wurde. C. 1 wird mit CAPITULO PRIMO in roter Tinte gezählt. Die Kapitel 4 und 5 sind unter IIII subsumiert, sodass die Zählung, die in roter Tinte ausgeführt ist, danach um eins zu niedrig ist. C. 10 wird in verkürzter Fassung geboten (bis accusator emendet), der Rest des Textes folgt als eigener, aber ungezählter Abschnitt nach c. 23. Danach folgt EXPLICIT LEX SALICA. Die einzelnen Kapitel werden mit Initialen in Texttinte eingeleitet.
BK 40 wird bis auf c. 29 vollständig geboten (c. 1-2, 6, 3-5, 7-13, 15-19, 14, 20-22, 25-28, 23-24): Nach der Rubrik, die in Unziale geschrieben wurde, folgt c. 1, das mit CAP. I eingeleitet wird. Die folgenden drei Kapitel sind ungezählt, ehe c. 4 und 5 als V und VI erscheinen. Darauf folgen c. 7-13 in korrekter Zählung. Ab dem danach folgenden c. 15 gibt es keine Zählung mehr, aber die Kapitel sind durch Absätze und Initialen deutlich als solche erkennbar. Die Kapitelnummern und die Initiale von c. 1 wurden in roter Tinte ausgeführt. Direkt an BK 40 schließt sich BK 104 c. 3 an, das auf zwei ungezählte Abschnitte aufgeteilt wurde.
BK 67 wird durch eine rote Rubrik in Unziale eingeleitet. Die Zählung und die Initiale von c. 1 sind ebenfalls in roter Tinte ausgeführt. Alle Kapitel sind korrekt durchgezählt (wobei die Kapitelzahl V aufgrund von Pergamentschäden nicht mehr erkennbar ist), c. 6 fehlt wegen Blattverlusts.
Auf dem letzten Blatt des Codex folgen noch BK 46 c. 8 und 15, die sehr wahrscheinlich in einem Textblock zusammengefasst wurden. Daran schließen sich BK 44 c. 22 und - nach einer Leerzeile - BK 104 c. 7 an.
Benutzungsspuren
In der Leerzeile vor BK 104 c. 7 steht eine fragmentarische Notiz von anderer Hand in dunklerer Tinte.
Sonstiges
Fol. 142v ist sehr fleckig und nachgedunkelt sowie die Tinte an einigen Stellen verblasst; der Text lässt sich aber dennoch ganz überwiegend problemlos lesen. Von fol. 143 hat sich nur ein langer Streifen erhalten, sodass etwa nur ein Drittel einer jeden Zeile lesbar ist. Auf fol. 143v ist zudem die Tinte stark abgerieben und verblasst, sodass nicht mehr alles entziffert werden kann.