Paris, Bibliothèque nationale de France, Lat. 10753
Beschreibung der Handschrift nach Mordek
Aufbewahrungsort
ParisBibliothèque nationale de France
Lat. 10753
Entstehung und Überlieferung
Entstehung:
9. Jh., Mitte bis 2. Hälfte (Mordek), 9. Jh., Mitte (Bischoff); Frankreich (Burgund?) (Mordek, Bischoff).
Provenienz:
Abtei Saint-Lomer zu Blois (Besitzvermerk des 12. Jh. fol. 1r oben: iste liber est ecclesie beati launomari); Jesuitenkolleg Clermont, Paris (Nr. 615); benutzt von J. Sirmond (Codex Blesensis) und É. Baluze (Codex Remensis oder Corbionensis). Fol. 1r: 118 (durchgestrichen), 143. Alte Signatur: Suppl. Lat. 215.
Äußere Beschreibung
Material: | Pergament |
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Umfang: | 154 foll. |
Maße: | 235-240 × 135-140 mm |
Schriftraum: | 170-177 × 100-110 mm |
Lagen: |
11 IV88 + I90 + IV98 + V108
+ IV116 + 1117 + IV125 + (IV+1)134 + 2 IV150 + II154 (der Binio und
das Einzelblatt 133 sind wohl Reste eines Quaternio mit den
Doppelblättern a/h [133/verloren], b/g [151/154], c/f [verloren], d/e
[153/152; vom Buchbinder fälschlich umgeschlagen], vgl. die Schemata
bei Beyerle, Die beiden süddeutschen
Stammesrechte, S. 92 und K. A.
Eckhardt, Leges Alamannorum I, S.
47).
Die älteren Kustoden zeigen, daß die 4 Lagen foll. 91-125
einst den Anfang des Codex bildeten: e (8v) bis p (88v), a (98v) bis D (125v);
später noch nachgetragen die Kustoden q (133v), R (142v), S (150v).
|
Zeilen: | 26-28 |
Spalten: | 1 |
Schrift: | gefällige, deutlich lesbare karolingische Minuskel |
Ausstattung: |
Meist dunkelbraune Texttinte; orangerote Unzialrubriken, bei Hauptüberschriften auch Capitalis rustica abwechselnd rot und braun; meist einfache Initialen, einige in brauner Umrißzeichnung, leicht verziert, mit farbigen Füllungen. |
Einband: |
Brauner Ledereinband; Rücken wohl vom alten Einband rot überklebt mit Goldverzierungen und Titel: THEODOS. CODEX. LEX BURGUND. &C. XI SAEC. |
Inhalte
Anmerkung:
Die Rechtssammlung des Cod. Paris Lat. 10753 wird hier so wiedergegeben, wie sie sich heute in der Hs. darbietet: Auf das römische Recht folgen, von kleineren Einsprengseln abgesehen, das Volksrecht der Burgunder mit der Praeceptio Chlotharii I vel II und die Lex Salica mit drei Kapitularien Karls des Großen der Jahre 803-805, schließlich die Leges Ribuaria, Alamannorum und der seltene Pactus Alamannorum.
Ob dies die ursprüngliche Gestalt des Werkes war, mag man bezweifeln. Nach Ausweis der älteren Kustoden gab es jedenfalls schon sehr früh eine Form, in der die Texte foll. 91-125 an der Spitze standen, d.h. die Lex Salica und die sich anschließenden Kapitularien Karls.
Bibliographie
Literatur:
- Pertz G 1835, S. XXIII
- Pertz G 1839, S. 729
- Pardessus 1843, S. XXVIII f.
- Hänel 1849, S. XXVI f., LXXIX f.
- Pertz G 1863, S. 1 f., 10 f., 30, 518 f., 591
- Delisle 1868-1881, Bd. 2, S. 406
- Sohm 1889, S. 195 f.
- Conrat 1891, S. 228 ff.
- Boretius 1897, S. XXV
- Mommsen - Meyer 1905, Bd. 1, 1, S. LXXXIX-XCI, CI f.; Bd. 2, S. LX
- Krusch 1924, S. 311-313, 323, 338 f. u. ö.
- Buchner 1940, S. 59 f.
- Stein 1941, S. 9 ff. u. ö.
- Stein 1947, S. 416
- Eckhardt K 1954, S. 30
- F. Beyerle, Die beiden süddeutschen Stammesrechte, in: ZRG Germ. Abt. 73 (1956) S. 85 ff.
- Eckhardt K 1957a, S. 255 und 2, 2, S. 9
- Eckhardt K 1958b, S. 11, 43 ff.
- Eckhardt K 1959, S. 8
- Gaudemet 1965, S. 43 f.
- Dolezalek 1972, Bd. 2
- Bühler A 1986, S. 342
- Kottje 1987, S. 373, 376
- McKitterick 1989, S. 50 Tab. A, S. 55 Note
- Schott 1993a, S. 6 ff.; Abbildung des Pactus Alamannorum S. 43-50 (foll. 154v, 133r-v, 151r-v, 153r-v, 152r; Transkription und Übersetzung S. 52-67)
Kataloge:
Projektspezifische Referenzen:
- Mordek 1995, S. 581-585
- Schott 1996, bes. S. 32, mit Abb. 1-3 auf S. 27, 29, 31 (foll. 72v-73v)
- Esders 1997, S. 56-78
- W. Kaiser, Burgundisches Ehegüterrecht in der Hs. Berlin Staatsbibl. lat. fol. 269 (f. 39r)? Zu einem unbekannten Fragment eines Gesetztes über das Schicksal der Eheschenkung beim Tod des Ehemannes, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Romanistische Abteilung 119 (2002), S. 235-236, 238-240
- Liebs 2002, S. 112 (Anm. 113 S. 113)
- Hartmann W 2004, S. 316-317
- Kaiser W 2007, S. 186 (Anm. 123)
- D. Liebs, Römischrechtliche Glut für ein Bischofsgericht in Burgund. Die "Epitome Parisina" der "Lex Romana Visigothorum", in: Guiliano Crifò (Hrsg.), Atti dell'Accademia Romanistica Costantiniana. XVI Convegno internazionale in onore di Manuel J. García Garrido, Neapel 2007, S. 63-83, hier S. 63 (Anm. 2)
- Hartmann W 2008, S. 88, 95 (Anm. 184), 96 (Anm. 196), 326
- Lauranson-Rosaz 2008, hier S. 244 (Anm. 11)
- Kaiser W 2010, S. 575, 577
- D. Liebs, Das Verbot von Mischehen im germanisch-römischen Recht, in: Stefano Giglio (Hrsg.), Atti dell'Accademia Romanistica Costantiniana. XVII Convegno internazionale in onore di Giuliano Crifò (Pubblicazioni dell'Università degli studi di Perugia), Bd. 1, Rom 2010, S. 622-628, hier S. 626 (Anm. 26)
- Bischoff 2014, S. 167, Nr. 4655
- Coumert 2023, S. 15, 137, 140, 385-386
- Bibliotheca legum regni Francorum manuscripta, Karl Ubl (Hrsg.) unter der Mitarbeit von Dominik Trump und Daniela Schulz, Köln 2012 ff.
Transkription
Editorische Vorbemerkung zur Transkription
Transkriptionsvorlage: Für die Transkription wurde ein neues Farbdigitalisat der Pariser Nationalbibliothek verwendet.
Schreiber
Fol. 90: Es ist nur ein Schreiber zu erkennen, der sowohl die Rubriken als auch den Text in einer flüchtigeren karolingischen Minuskel verfasste.
Buchstabenformen
Fol. 90:
Einzelbuchstaben: Das c wird generell vom Schreiber vergrößert geschrieben, sodass es in der Transkription nur am Kapitelanfang mit einer Majuskel wiedergegeben wird. Unziales D flankiert gerades d. Das doppelstöckige e, das oft in Ligatur mit i, r und s geschrieben wird, weist einen ausgeprägten Balkenfortsatz auf. Der untere Bogen des g bleibt geöffnet.
Ligaturen: Auffällig sind vor allem zahlreiche Ligaturen mit e und die Verbindung -ri-, das wohl ohne Absetzen geschrieben wurde, sodass das i wie ein zweites r wirkt (häufig bei fuerit), und -it (bei fuit, fol. 90v Z. 17), wo das gleiche Phänomen auftritt.
Besonderheiten: Das h im Anlaut und im Wortinneren fällt regelmäßig weg. Gelegentlich kommt es zu Dittographie, z.B. conpossicione (fol. 90v).
Abkürzungen
Fol. 90: Der Schreiber verwendet durchweg gängige Abkürzungen.
Interpunktion
Fol. 90: Bis auf sehr wenige distinctiones mediae hat der Schreiber keine Interpunktionszeichen verwendet.
Gliederungsmerkmale
Fol. 90: Der kurze Auszug aus BK 139 bietet insgesamt 5 Kapitel auf einem eingefügten Einzelblatt, sodass nicht mit Bestimmtheit gesagt werden kann, ob der erhaltene Auszug in seinem Umfang vollständig erhalten ist oder nur einen Teil einer umfangreicheren Kopie darstellt, zumal das letzte kopierte Kapitel (BK 139 c. 11) mitten im Satz abbricht. Allerdings wäre auf dem Blatt noch genügend Platz für weiteren Text übrig geblieben, was dagegen spricht, dass der Text auf einem weiteren, verlorenen Blatt fortgesetzt worden sein könnte. Die Überschriften sind nicht durch eine Farbgestaltung hervorgehoben, sondern in Texttinte ausgeführt. Bis auf die Rubrik von c. 3 befinden sich alle in einer eigenen Zeile und sind zumindest auf diese Weise optisch hervorgehoben. Das D des die Rubriken einleitenden De ist in Unziale ausgeführt, was zwar auch im Text vorkommt, aber hier durchgängig zu finden ist. Die Anfangsbuchstaben des ersten Wortes eines Kapitels sind nicht als Initialen hervorgehoben.