Capitularia - Edition der fränkischen Herrschererlasse

Über das Projekt

Projektziel

Die Neuedition der Kapitularien setzt sich zum Ziel, der besonderen Überlieferungssituation dieser Quellengattung gerecht zu werden.

Die Kapitularien sind als Einzelstücke aus Beratungen und Versammlungen am Hof hervorgegangen, überliefert sind sie jedoch ausschließlich im Rahmen von Sammlungen, die dezentral von Funktionsträgern des Herrschers zusammengestellt wurden. Die Edition wird daher parallel zwei Ziele verfolgen, die in einem gemeinsamen Erschließungs- und Editionsprozess erreicht werden: Zum einen sollen die Herrschererlasse als Einzelstücke kritisch ediert und in ihrer rekonstruierten Form mit Übersetzung in Buchform publiziert werden; zum anderen sollen die für die Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte zentralen Sammlungen erschlossen und in einer digitalen Edition für die Forschung zugänglich gemacht werden.

Die digitale Edition liefert mit den Transkriptionen der einzelnen Kapitulariensammlungen nicht nur die Grundlage für die kritische Printedition, sondern ist als dauerhafte Ergänzung zu dieser angelegt. Für die historische Forschung ist nämlich nicht nur der originale, rekonstruierte Wortlaut von Interesse, sondern auch die Zusammenstellung und Anordnung der Stücke sowie der in den Sammlungen überlieferte Wortlaut, in dem diese Texte verbreitet, gelesen und angewandt wurden. Durch die Kombination von digitaler und Printedition wird der Weg vom kritischen Text zurück zu den individuellen Überlieferungszeugen dokumentiert und der historische Eigenwert der Sammlungen gewürdigt. Zugleich bietet die Projekthomepage eine Plattform, auf der neue Erkenntnisse zum Inhalt und zur Überlieferung der Kapitularien zusammengeführt und präsentiert werden können.


Editionsplan

Die Publikation der Texte erfolgt in chronologischer Reihenfolge nach der Regierungszeit ihrer Aussteller. Zunächst werden die Kapitularien Ludwigs des Frommen (814-840) ediert. Die Transkription der handschriftlichen Überlieferung wurde Ende 2017 abgeschlossen, die kritische Edition wird danach im Druck erscheinen.

In der nächsten Phase werden die Kapitularien nach 840 bis 920 transkribiert und kritisch ediert, abschließend folgen die Kapitularien von 507/11 bis 813. Die Transkriptionen der in den einzelnen Handschriften enthaltenen Kapitulariensammlungen werden daher zunächst nur in Teilen digital veröffentlicht und im Rahmen des chronologischen Fortschreitens der Edition sukzessive vervollständigt.

Für die digitale Edition ist die von Prof. Karl Ubl geleitete Arbeitsstelle in Köln verantwortlich, die kritische Printedition wird gemeinschaftlich von einem Editorenteam erarbeitet.


Editionsgeschichte

Ältere Editionen

Die Kapitularien haben schon früh das Interesse der Forschung geweckt. Eine erste Edition erschien bereits 1677 (Étienne Baluze). Die 1819 gegründeten Monumenta Germaniae Historica (MGH) planten eine Neuedition der Kapitularien, die erstmals modernen wissenschaftlichen Ansprüchen an eine kritische Edition genügen sollte. Die mit diesem Ziel 1835 erschienene Ausgabe von Georg Heinrich Pertz beruhte zwar auf einer im Vergleich zu Baluze breiteren handschriftlichen Grundlage, war aber bald durch neue Textfunde sowie durch verfassungsgeschichtliche Kritik überholt. Deshalb betraute der Nachfolger von Pertz in der Leitung der MGH, Georg Waitz, schon wenig später Alfred Boretius mit einer Neuedition. Im Jahr 1883 erschien der erste Band, der zweite wurde aufgrund einer schweren Erkrankung von Boretius durch Victor Krause zu Ende gebracht (1897). Die Edition von Boretius und Krause ist jedoch bereits gleich nach ihrem Erscheinen wegen handwerklicher Mängel in die Kritik geraten und gilt seit langem als überarbeitungsbedürftig. François Louis Ganshof konstatierte in seinem Standardwerk über die Kapitularien: „Eine Neuausgabe der Kapitularien gehört zu den vordringlichsten Anliegen der mittelalterlichen Forschung“ (Ganshof 1961, S. 22).

Étienne BaluzeGeorg Heinrich PertzAlfred Boretius

Vorarbeiten zu einer neuen Edition

Aufgrund der sich verdichtenden Kritik an der alten Edition vergaben die MGH 1979 den Auftrag zu einer Neuedition an Hubert Mordek. Mordek leitete das Projekt bis zu seinem Tod im Jahr 2006, ohne die Edition zum Abschluss gebracht zu haben. Seine wertvollen Vorarbeiten hinsichtlich der Sammlung des handschriftlichen Materials flossen in die „Bibliotheca capitularium regum Francorum manuscripta“ (Mordek 1995) ein, die eine umfangreiche und detaillierte Beschreibung aller Handschriften mit Kapitularien bietet. Die Zahl von 282 Handschriften zeigt die enorme Verbreitung dieser Texte im gesamten Frankenreich und darüber hinaus. Durch seine Studien ist Mordek auf eine Reihe von Texten aufmerksam geworden, die im Rahmen der bisherigen Editionen übersehen worden waren. In einer vorläufigen Edition hat er diese 27 Texte im Anhang der „Bibliotheca“ abgedruckt.

Nach dem Tod Mordeks haben die MGH das Projekt aufgeteilt. Für die Zeit vom 6. Jahrhundert bis zum Tod Karls des Großen (814) waren die Vorarbeiten Mordeks bereits weit gediehen, weshalb die Vollendung dieses Teils in die Hände seines Schülers Michael Glatthaar (Freiburg) gelegt wurde. Die Kapitularien der Zeit seit 814, für die es keine Vorarbeiten gab, übernahm Klaus Zechiel-Eckes (Köln). Zechiel-Eckes beteiligte sich an einer Probeedition des wirkmächtigsten Kapitulars, der Admonitio generalis Karls des Großen (von 789), die im Jahr 2012 von den MGH publiziert wurde (Glatthaar 2013a [Ndr.]). Er konnte jedoch die Arbeit am zweiten Teil der Edition bis zu seinem Tod (2010) nicht mehr aufnehmen. Deshalb wurde dieser Teil im Jahr 2011 einem Editorenteam übertragen: Stefan Esders (Freie Universität Berlin), Steffen Patzold (Universität Tübingen) und Karl Ubl (Universität zu Köln).