Gotha, Forschungsbibliothek, Memb. I 85
Beschreibung der Handschrift nach Mordek
Aufbewahrungsort
GothaForschungsbibliothek
Memb. I 85
Entstehung und Überlieferung
Entstehung:
8./9. Jh. (Mordek, Bischoff); wohl Oberelsaß ("vielleicht in Weißenburg geschrieben" [B. Bischoff])
Provenienz:
Die Hs. gehörte im 15. Jh. dem Kloster Murbach (vgl. den partiell radierten, aber durchaus noch lesbaren Vermerk auf fol. 112v: Orate pro reuerendo Domino abbate morbacensi bartolomeo. Vom gelehrten Mauriner E. Martène († 1739) in Murbach benutzt (nach L. Traubes Vermerk auf dem Spiegel des Vorderdeckels 1899). Zwischen 1786 und 1789 veräußerte der Fürstabt Benedikt von Andlau-Homburg den Codex an J.-B. Maugérard, Benediktinermönch von St. Arnulf zu Metz, der ihn an Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha und Altenburg (1772-1804) weiterverkaufte.
Äußere Beschreibung
Material: | Pergament |
---|---|
Umfang: | 112 foll. (43-45 kopfständig eingebunden; mehrere Blätter sind verlorengegangen) |
Maße: | 265 × 170 mm |
Schriftraum: | 200-210 × 120-128 mm |
Lagen: |
(IV-1)7 + 2 (V-2)23 + IV31 + 3 (V-2)55 + IV63 + (V-2)71 + 2 IV87 + 2 (IV-1)101 + (V-3)108 + (III-2)112
Kustoden: I (7v)
bis XIIII (108v)
|
Zeilen: | 26 |
Spalten: | 1 |
Schrift: | z. T. ausgezeichnete frühe karolingische Minuskel |
Schreiber: | von mehreren Händen |
Ausstattung: |
Rubriken meist in (Halb-)Unziale rot oder in dunkelbrauner/schwarzer Texttinte mit roten, gelben oder hellbraunen Füllungen, auch in Capitalis rustica und Minuskel; Initialen teilweise rot, gelb oder hellbraun ausgemalt und rot umpunktet, einige mit Ranken und Tiermotiven verziert. |
Einband: |
weißer Halbpergamenteinband |
Inhalte
Anmerkung:
Die Hs. tradiert nach dem sog. Decretum Gelasianum (ed. von Dobschütz) die kirchenrechtliche Sammlung der Hs. von Lorsch mit Anhängen (im einzelnen analysiert von Maassen, Geschichte, S. 585-591 nach der ihm allein bekannten Schwesterhs. Vatikan Pal. Lat. 574). Wie im Vaticanus ist gegen Ende der Gesamtsammlung ein Kapitular Pippins des Jüngeren eingerückt:
Bibliographie
Literatur:
- L. Traube - R. Ehwald, Jean-Baptiste Maugérard. Ein Beitrag zur Bibliotheksgeschichte (L. Traube, Palaeographische Forschungen 3 = Abh. München 23 [1906]), S. 335, 357 Nr. 14
- Lehmann P 1911, S. 170
- W. M. Lindsay, Notae Latinae. An Account of Abbreviation in Latin MSS. of the Early Minuscule Period (c. 700-850) (Cambridge 1915), S. 458
- Lindsay 1923, S. 37
- CLA 8 (1959) Nr. 1209, S. 52, 68 und CIA Suppl. (1971), S. 62
- Bischoff 1989, S. 87 Anm. 105
- Dobschütz 1912, S. 140-144
- K. Silva-Tarouca, Beiträge zur Überlieferungsgeschichte der Papstbriefe des IV., V. und VI. Jahrhunderts, in: Zs. für katholische Theologie 43 (1919), S. 671-672
- K. Silva-Tarouca, Giovanni «archicantor» di S. Pietro a Roma e l'«Ordo Romanus» da lui composto (anno 680), in: Atti della Pontificia Accademia Romana di Archeologia, Ser. III, Memorie I, 1 (Rom 1923), S. 178
- Andrieu 1931-1961 1, S. 138-139, 492
- Wurm 1939, S. 96
- Hove 1945, S. 274-275
- Stickler 1950, S. 98
- Munier 1960, S. 33-34
- Mordek 1975, S. 9 Anm. 33, S. 15 Anm. 63, S. 227 Anm. 62
Kataloge:
- F. Jacobs - F. A. Ukert, Beiträge zur ältern Litteratur oder Merkwürdigkeiten der Herzogl. öffentlichen Bibliothek zu Gotha 2 (Leipzig 1836) Nr. 151, S. 145-153
- R. Schipke, Die Maugérard-Handschriften der Forschungsbibliothek Gotha (Veröffentlichungen der Forschungsbibliothek Gotha 15, Gotha 1972), S. 54-57
Abbildungen:
- Traube - Ehwald, Maugérard, Taf. I Nr. 12 (Abb. des Besitzvermerks auf dem letzten Blatt der Hs.)
- CLA 8, Nr. 1209, vor S. 52 (fol. 107v, Ausschnitt)
Projektspezifische Referenzen:
Transkription
Editorische Vorbemerkung zur Transkription
Transkriptionsvorlage: Gutes Farbdigitalisat. Am 13.08.2018 wurde die Handschrift in der Forschungsbibliothek Gotha eingesehen und eine Kollation vorgenommen.
Schreiber
Eine Hand, die in einer steilen, gut proportionierten frühkarolingischen Minuskel schreibt. Ab de ipsa causa (fol. 102v, Z. 22) wird die Schrift etwas gedrängter und die Buchstaben stehen enger zusammen. Da keine signifikanten Veränderungen in den Buchstabenformen festzustellen sind, liegt kein Schreiberwechsel vor (vgl. die ex-Ligatur in Z. 10 und Z. 25, das i-longa in Z. 2 und Z. 15 sowie Z. 26, cc-a als Hauptform und die Verwendung von unzialem a zumeist am Zeilenende (Z. 7, 21, 26), auch Formenvarianten von et-Ligatur und rundem d).
Buchstabenformen
Zu beobachten sind Doppelformen bei a (cc-a neben unzialem a) und d (unziales neben seltenerem geradem d). Der Schreiber verwendet regelmäßig Ligaturen wie et, ex, ri, st; einmal auch eine at-Ligatur am Zeilenende (faciat, Z. 21).
Gliederungsmerkmale
Das fragmentarisch erhaltene Kapitular BK 13 bietet cc. 1-4, wobei nur die ersten 11 Wörter von c. 4 vorhanden sind, ehe der Text fragmentarisch mit dem Wechsel zu fol. 103r abbricht. Die Rubrik zu c. 1 wurde mit roter Tinte und in Unziale geschrieben. Der Text wird durch mit roter Farbe hervorgehobene Initialen, die mehr vergrößerte Satzmajuskeln sind, gegliedert, wobei diese aber nicht als Versalien ausgerückt sind, sondern im Textblock stehen. Eine Zählung fehlt. Das erste Kapitel ist in zwei Teile geteilt, wobei der Text ab De istis capitulis durch eine Initiale getrennt wird.
Nach der Rubrik zu c. 1 wurde sehr wahrscheinlich das Wort homo getilgt, das dann in der folgenden Zeile als Kapitelbeginn fungiert: Das Kapitel sollte nämlich ursprünglich mit einer S-Initiale (Si homo...) beginnen, die aber getilgt und stattdessen durch das Wort Homo ersetzt wurde, wobei das H als (nicht farbige) Initiale gestaltet wurde.
Benutzungsspuren
Ein Benutzer hat Striche (Z. 12, 14, 15, 24) und einmal einen punctus elevatus (Z. 25) im Text in hellerer Tinte ergänzt, wohl, um den Text zu gliedern. Diese Hinzufügungen wurden nicht mit transkribiert. Die Korrektur in der Überschrift von BK 13 c. 1 (O zu I) geht wohl auch auf diesen Benutzer zurück, der im ganzen Codex seine Spuren hinterlassen hat.